Der Sarrazin geht um

Nach der Sarrazin-Affäre wird darüber spekuliert, wie groß das Vakuum an Wählern rechts von den Unionsparteien ist. Bis zu 20 Prozent soll laut Umfragen in der BRD das nationale, rechte und konservative Wählerpotential groß sein. Alle möglichen Parteifunktionäre, die sich seit jeher für das Wählerspektrum rechts der Mitte zuständig fühlen, versuchen nun hektisch zu beweisen, daß man selbst doch den besten Sarrazin darstellt. Einer von ihnen ist Horst Seehofer. Der CSU-Parteivorsitzende knüpfte unlängst an die Tradition von Franz-Josef Strauß an, der neben seiner Partei keine Rechtspartei in den Parlamenten dulden wollte (O-Ton Strauß: „Rechts neben uns ist nur noch die Wand.”). Deswegen deckt auch heute Seehofer die Themen ab, die nationale und konservative Deutsche besonders interessieren, wie die Überfremdung ihrer Heimart mit „Zuwanderern“ (wie seit ein paar Jahren werbepsychologisch die Einwanderer heißen. „Einwanderer“ klingt wie etwas wegnehmen, „Zuwanderer“ wie etwas bringen …).

Seehofer spricht sich jetzt gegen die weitere „Zuwanderung“ von Türken und Arabern aus. Schließlich hat Sarrazin darauf hingewiesen, daß diese Einwanderergruppe im statistischen Durchschnitt zu wenig Intelligenz mitbringe, was sich für die Wettbewerbsfähigkeit des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ – auch Deutschland AG genannt – negativ auswirke. Seehofer im Wortlaut: „Es ist doch klar, daß sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluß, daß wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen.“

Siehe: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,722308,00.html

Was Seehofer verschweigt und die dumme Masse an Rechtswählern nicht wissen oder vergessen haben soll: Das deutsche Großkapital trommelt seit den 1960er Jahren nach „Zuwanderung“. Mittlerweile wird jetzt von diesen Kreisen die Qualität der „Zuwanderer“ kritisiert, nicht aber die „Zuwanderung“ an sich.

Ein anderer, der die Sarrazin-Welle nutzen möchte, ist Thomas Wulff, der im NPD-Parteivorstand das Referat Agitation und Propaganda innehat. In einem Kommentar für „Deutsche Stimme“ behauptet er, die NPD habe in Sachen Einwanderung immer schon das vertreten, was jetzt Sarrazin zu diesem Thema sagt.

Siehe: http://www.deutsche-stimme.de/ds/?p=3760

Also wenn das wirklich so stimmen würde, daß die NPD für eine kontrollierte, für den kapitalistischen Arbeitsmarkt qualitativ bessere Zuwanderung plädieren würde, wie dies für Sarrazin zutrifft, dann sollte man dazu aufrufen, die NPD nicht mehr zu wählen. Dem ist aber – Gott sein Dank! – nicht so. Schließlich lehnt diese Partei die Einwanderung grundsätzlich ab und tritt für eine Ausländerrückführung ein. Bei Sarrazin ist davon allerdings nichts zu hören.

„‚Millionen Fremde kosten uns Milliarden!‛ Genau darum geht es.“ Schreibt Thomas Wulff. Lieber Thomas, genau darum geht es „uns“ nicht, behaupte ich mal. Davon abgesehen, daß für Nationalisten das Volk und nicht das Geld im Mittelpunkt des Interesses steht, so suggeriert das Wörtchen „uns“, daß es – Hier und Jetzt! – so etwas wie eine deutsche Volksgemeinschaft geben würde. Das ist genau der Punkt, über den sich Nationale Sozialisten, Nationalrevolutionäre, sozialrevolutionäre Nationalisten – und wie sich die Kameraden noch nennen mögen – unterhalten sollten.

Diejenigen, die in der NPD das „radikale“ Lager in den letzten Jahren gebildet haben, sind insgesamt gesehen genau an diesem Punkt gescheitert. Ein Grund des Absturzes ist sicherlich, daß derjenige mit der größten Persönlichkeit in diesem Spektrum, Jürgen Rieger, zu früh verstorben ist. Ein zweiter Grund ist auch der, daß die Rechtspopulisten, die die Nationaldemokraten als die besseren Pros sehen, schon durch das öffentliche (Sarrazin- usw.) Meinungsklima in Aufschwung kommen.

Eine dritte Ursache ist die, daß die „Radikalen“ in der NPD – bei allem Einsatz für die Sache auf der Straße – insgesamt über kein geeignetes theoretisches Konzept verfügen, mit dem sich der Rechtspopulismus in dieser Partei eindämmen ließe. Viele im NS-Spektrum gehen – zumindest unterschwellig – davon aus, daß die „Volksgemeinschaft“ von Natur aus vorhanden wäre. Daß wir heute noch in Mitteleuropa rund 80 Millionen Menschen mit deutscher Herkunft haben, ist das eine; daß Volk (biologisch, genetisch) und Volksgemeinschaft (politisch) inhaltlich nicht völlig deckungsgleich sind, das andere. Also die Angehörigen der deutschen Kapitalistenverbände BDI, BDA und DIHT sowie die Vorstände und Großaktionäre der großen Banken und Konzerne (DAX-Unternehmen usw.) gehören zwar überwiegend (genetisch) zum deutschen Volk, wollen aber keine Volksgemeinschaft (politisch) in einem deutschen Nationalstaat organisieren. Diese Kreise haben in den 1960er Jahren und danach Massen von Ausländern, vor allem als Lohndrücker angeworben oder deren politische Steigbügelhalter haben es den Fremden ermöglicht, die Grenze zu passieren.

Gehören diese Kreise, die von der Überfremdung Deutschlands – durch Lohndruck, Konsum- und Mietpreiserhöhungen durch „Zuwanderung“ – profitiert haben, wirklich zu „uns“? Das „radikale“ Lager innerhalb und außerhalb der NPD bräuchte hier eine andere politische Theorie, damit die Kameraden der Praxis wie Thomas Wulff, die auf der Straße Flagge für das deutsche Volk zeigen, bessere Argumente gegen die Überfremdung haben als bisher.

Jürgen Schwab

Bücher von Jürgen Schwab:
Angriff der neuen Linken – Herausforderung für die nationale Rechte. Hohenrain Verlag, Tübingen 2009, 19,80 Euro.
Die „Westliche Wertegemeinschaft“, Abrechnung, Alternativen. Hohenrain Verlag, Tübingen 2007, 19,50 Euro.
Volksstaat statt Weltherrschaft. Das Volk – Maß aller Dinge. Hohenrain Verlag, Tübingen 2002, 9,80 Euro.

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