Fünf Thesen zum geplanten NPD-Verbot

Von Arne Schimmer

1. Der „Kampf gegen Rechts“, als dessen zentraler Bestandteil das Verbot der NPD geplant ist, reiht sich ein in die unheilvolle Tradition der Staatszerstörungen, die zu den Katastrophen des 20. Jahrhunderts führte. Sie hatten ihre Wurzeln in der Zerstörung der Staatsdialektik von Schutz und Gehorsam. Das an Julius Streicher erinnernde Spektrum verbalpornographischer Ausfälle selbst höherer politischer Repräsentanten wie „braune Ratten“, „rechtes Ungeziefer“ oder „mit Stumpf und Stiel ausrotten“ dokumentiert den Willen der politischen Klasse zur Exklusion der Patrioten vom Gemeinwesen. In dieser Hinsicht imitiert der „Kampf gegen Rechts“ ironischerweise den historischen Nationalsozialismus und dessen Scheitern: „Des Scheiterns erster Hauptgrund war: das Dritte Reich fußte auf einem Fundamentalismus als Bürgerkriegspartei. Seine Volksgemeinschaft schloß sozialdarwinistisch zu viele aus: Sozialisten, Aristokraten, konservative Offiziere, Kirchen, Vertreter der deutsch-jüdischen Symbiose, ‚entartete‘ Künstler, Homosexuelle. Eingliederungsbereitschaft nützte wenig. Sympathisierende Warnungen nützten nichts. Das Regime setzte sich propagandistisch unter Vollzugszwang“ (Hans-Dietrich Sander). Die NPD kann den Vorwurf des Neonazismus also getrost an die Absender zurückgeben.

2. Der „Kampf gegen Rechts“ trieft vor Irrationalität. Man wähnt die deutsche Welt voller Dämonen und eine neurotisierte politische Klasse praktiziert ihren Exorzismus in Form des geplanten NPD-Verbots. Der „Kampf gegen Rechts“ ist nur teilweise hypermoralisch verbrämter Wille zur Macht und Machterhaltungsstrategie, bei vielen ist er schon Wahn und Wirklichkeitsverlust. Dort, wo der Antisemit überall die jüdische Weltverschwörung vermutet, sieht der Antifaschist überall das braune Gespenst, ob in Reden von Martin Walser, der Bildung einer bürgerlich-rechtsliberalen Regierung in Österreich oder überhaupt in jeglicher Kritik an Phänomenen der Moderne wie Beschleunigung, Abstrahierung, Quantifizierung oder Entortung. Merkwürdig ist dabei nur, daß die nationalsozialistischen Verbrechen einerseits zum tragenden, entrückten Element einer neuen Quasi-Religion gemacht werden sollen, andererseits aber bei jeder passenden und vor allem unpassenden Gelegenheit im tagespolitischen Streit verwurstet werden.

3. Mit dem NPD-Verbot soll ein „Symbol“ gegen „Rechts“ gesetzt werden. Abgesehen davon, daß eine derartige Vorgehensweise das staatliche Instrument des Parteienverbots pervertiert, schwelgt nur der Staat in symbolischer Politik, der seine realen Gestaltungsmöglichkeiten schon längst an Wirtschaft und Globalisierung abgetreten hat. Übrig bleibt eine Regierung, die zwar keine Deutschen mehr, dafür aber nur noch Menschen kennt – der Staat als Lichterkette. Rot-Grün, das nach zweijähriger Regierungszeit die saubere Bilanz eines Angriffskrieges und eines Antrags auf Parteiverbot vorweisen kann, vergißt dabei, daß es traditionelle Politikfelder wie Pazifismus, Bürgerrechte, Meinungsfreiheit und Gesellschaftskritik räumt und anderen Kräften überläßt. Die Unionsparteien, die in der antifaschistischen Einheitsfront natürlich nicht fehlen dürfen, vergessen, daß man sie bald für den verhaßten rechten Rand der Republik halten könnte und daß sie bei einer Verselbständigung der Hetze „gegen Rechts“ nur verlieren können. So sind die Unionsparteien zwar zur Vorspiegelung von Gegensätzen systemnotwendig, andererseits aber als neuer antifaschistischer Prügelknabe gerade gut genug. Den bisherigen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung bei der an die DDR-Staatsparade erinnernden Gutmenschen-Demo am 9. November in Berlin, als Paul Spiegel im Beisein der CDU-Vorsitzenden Merkel die vorsichtige Forderung der Union nach „deutscher Leitkultur“ mit dem Verbrennen von Synagogen und dem Ermorden von Obdachlosen gleichsetzte.

4. Seit 1989, das eine ebenso gewaltige historische Zäsur wie das Jahr 1789 darstellt, treten überall auf der Welt wieder die Völker als die Subjekte der Geschichte hervor. Die politische Klasse in den europäischen Staaten meint aus ideologischer Verblendung, daß sie diesen Prozeß zumindest in Europa aufheben könnte. Den Kampf gegen eine machtvolle historische Grundströmung kann man nur verlieren. In diesem Zusammenhang wäre ein NPD-Verbot so, als ob man nach Ernst Jüngers treffendem Wort die Barometer einschlägt, wenn ein Sturm aufzieht. Die Deutschen sind dabei wieder mal am gründlichsten und fallen in ihre größte Schwäche, den Extremismus, zurück. Am deutlichsten wird dieser Umstand dadurch dokumentiert, daß Leute, die Carl Schmitt ansonsten für den Leibhaftigen halten, selbst nur dazu imstande sind, das Recht als Waffe zu sehen, das es gerade so hinzubiegen gilt, daß es für das Verbot einer 7000 Mitglieder starken Partei reicht. Deshalb soll das „G-10-Gesetz“ geändert werden, um Abhörprotokolle der Verfassungsschutzbehörden in das Verbotsverfahren einzuführen und deshalb sollen die die NPD belastenden V-Leute der Verteidigung zu Befragungen nicht zur Verfügung stehen.

5. Eine Demokratie hat die konstitutionelle Pflicht, den Austrag politischer Debatten nicht zu behindern. Genau darin scheint aber das Hauptinteresse der politischen Klasse der Berliner Republik zu bestehen. Sie zerstört damit irreversibel die Grundlagen der Bundesrepublik, die immer mehr der Light-Version, dem Zerrbild einer anderen antifaschistischen Diktatur auf deutschem Boden gleicht, die vor 10 Jahren im Orkus der Geschichte verschwand. Auch das Hauptmerkmal des Niedergangs, die ideologische Erstarrung und Verhärtung, die die für jedes Gemeinwesen unerläßliche Zirkulation der Ideen und Eliten verunmöglicht, ist in der späten BRD das gleiche wie in der späten DDR. Die vielfältige Verzahnung der politischen und wirtschaftlichen Probleme wird die Krise zwangsläufig immer stärker vertiefen und eine Jugend auf den Plan rufen, die die manische Fixierung auf das Materielle, die das einzige Band ist, mit dem das System sie noch an sich fesseln kann, überwindet. Sie wird den Keim legen, aus dem dann später der Baum der europäischen und deutschen Freiheit wachsen wird.

Quelle: DESG-inform 11-12/00

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