Von Wiener Rückgratlosigkeit und Türkenstolz

„Bei allem Zweifeln der Diplomaten – jetzt hat Kurz einen mächtigen und einflussreichen Fürsprecher bekommen“, konnte man in den Medien lesen als der junge Mann als Außenministerkandidat gehandelt wurde. Bei dem Fürsprecher handelt es sich um den Kurz-Berater Albert Rohan, ehemaliger Generalsekretär des Außenamtes und Präsident der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft. Was wohl den alten Herrn für Jungspund Kurz so erwärmt haben mag?

Rohan, eine der grauen Eminenzen im Hintergrund, wurde übrigens wegen seines Eintretens für einen unabhängigen Kosovo, mit dem höchsten Orden dieses von den US-Amerikanern aus der Taufe gehobenen Landes ausgezeichnet. Ein Freund der Freiheit möchte man meinen, aber schon dessen transatlantische Stimme im Konzert des EU-„Establishments“ ließe Zweifel zu.

Ohne Zweifel aber darf angenommen werden, daß dieser einem souveränen Österreich und seinen jenseits der Grenzen lebenden deutschen Volksgruppen nicht gerade zugeneigt scheinende Herr auch bei der Auslegung der österreichischen Südtirol-Politik Kurz zur Seite steht. Wie sonst wäre der hoffnungsvolle und mit Vorschußlorbeeren überschüttete „mainstream“linienförmige Außenminister-Lehrling auf die Idee gekommen, Südtiroler Patrioten und Freiheitskämpfer als „Ewiggestrige“ zu bezeichnen? Eigentlich eine Ungeheuerlichkeit, der eine Entschuldigung auf dem Fuße hätte folgen müssen.

Besonders eine Beleidigung für jene Südtiroler Freiheitskämpfer, die in italienischen Gefängnissen insgesamt 500 Jahre abgesessen haben und auch gefoltert wurden. Aufrechte, unbescholtene Patrioten, denen man, im Gegensatz zu gewissen Kosovo-Albanern weder Drogen- noch Menschenschmuggel nachsagen kann und darf. Es ist daher die Wortmeldung des jungen Außenministers, dessen Ambitionen über das Ziel hinauszuschießen beginnen, eine Schande für die österreichische Außenpolitik. Auf ihn, selten wie sonst auf jemand, paßte daher Kreiskys legendäres „Lernen Sie Geschichte…!“ Und Anstand.

Nun hätte der Besuch des türkischen Premiers eigentlich die Gelegenheit zu einer aufrechteren außenpolitischen Linie geboten. Aber der von einer Zeitung als Abrechnung angekündigte Dialog war bloß der Innenpolitik geschuldetes, etwas mit Trotz garniertes diplomatisches Ritual, das für einen Türkei-Beitritt absolut kein Hindernis darstellt. Soweit ja klar, denn „Mastermind“ Rohan ist ein Befürworter eines solchen: Für den Beitritt der Türkei spreche die geostrategische Lage, vor allem als Energie-Transitland. Dass Demokratie und Islam vereinbar seien, wäre auch eine Botschaft an andere islamische Länder, so Rohan einmal. Für die EU ist ja auch nicht der Islam das Problem, sondern Erdogans nationaler Imperativ.

Nun muß einen Erdogans herrische und leicht größenwahnsinnige Art nicht wirklich gefallen, auch nicht seine Islam-Interpretation, aber das eine oder andere seiner Politik lädt doch zu einer von Polemik und Vorurteilen freien Betrachtung ein. So ist er für eine starke Türkei, die Vorbild für andere islamische Ländern sein sollte. Auch deshalb schenkt er seinem Türkentum große Aufmerksamkeit. Ist das so schlecht? Daß er in diesem Zusammenhang wünschte, daß Türken dieses auch im Ausland hoch hielten, wird ihm angelastet. Ohne das Problem weiter zu erörtern, stellt sich doch die Frage: Fürchtet man, daß der identitäre oder nationale Funke auf unser oder ein anderes europäisches Volk überspringen könnte?

Warum stärken denn nicht Österreichs Kanzler, zum Beispiel, seinen Altösterreichern in Slowenien bzw. Frau Merkel ihren Deutschen in Oberschlesien den Rücken? In Wirklichkeit verschließen Wien und Berlin vor einer zentralen Frage des 21. Jahrhunderts bewußt die Augen: Schutz und Bewahrung von deutscher Identität und Kultur sind ihnen – auftragsgemäß? – kein Anliegen. Wenn aber österreichische oder bundesdeutsche Politiker diese Frage ignorieren oder meinen, damit in fremdem Auftrag oder nach Willkür gegen den Willen der Mehrheit zu verfahren können, dann laden sie historische Schuld auf sich. Eine Politik, die gesellschaftlich, kulturell und sozial vorrangig an Globalismus* und Universalimus ausgerichtet ist, führt durch letztere zu einer Kultur des Todes. Das scheint, neben Putin, zumindest auch ein übermütiger „Sultan“ Erdogan verstanden zu haben.

*Nebenbei bemerkt: Und auch das haben wir einem globalen Wahnsinnsprojekt zu verdanken: Kürzlich wurde ein Teil der zum TTIP-Abkommen parallel laufenden geheimen TISA-Verhandlungen (Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen) auf Wikileaks veröffentlicht. Dadurch wurde ein unglaublicher Plan von EU, USA und 22 anderen Regierungen bekannt: Eine beispiellose Privatisierungs- und Deregulierungswelle soll uns überrollen. Die Verhandlungstexte sollen nicht nur bis zum Inkrafttreten des Vertrages geheim bleiben, sondern sage und schreibe fünf Jahre lang danach. Was uns „unsere“ Politiker natürlich verheimlicht hätten.

Helmut Müller

Quelle

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