Nationalrevolutionäre Konsequenzen

Hartmut Plaas, in: Der Vormarsch, Oktober 1928

Die nationalrevolutionäre Bewegung muss sich über die Folgerungen klar werden, die sie aus der Notwendigkeit, die Arbeiter und Bauern aufmarschieren zu lassen, ziehen muss. Hier stehen wir vor nichts anderem als der Frage des Klassenkampfes. Diese Frage pflegt man wie das Wespennest zu behandeln, in das man nicht hineinsticht. Unendlich viel ist schon um diese Frage herumgeredet worden. Mit tausend und noch mehr Gründen hat man den Klassenkampf schon „widerlegt“, ethisch verurteilt, politisch abgelehnt, sittlich verdammt. Man hat „bessere“ Theorien ersonnen und bewiesen, dass der Klassenkampf die „Volksgemeinschaft“ zerstöre. In allem sprach bürgerlicher Aktivismus mit. Man hat der tatsächlichen Lage einfach nicht ins Gesicht sehen mögen; denn es zeigte sich, trotz all dieser Theorien und Vermeidungspatente, dass der Klassenkampf stärker war. Er ist die stärkere Realität, die immer dringlicher mit der Forderung nach klarer Antwort vor uns tritt. Es geht uns um die Nation, nicht um „Volksgemeinschaft“. Die Nation erheischt, um historisch aktiv und kulturell fruchtbar zu sein, eine bestimmte innere Prägung, die ihrem inneren Entwicklungszustande entspricht. Sie wird diese soziale Prägung immer haben. Die „Volksgemeinschaft“ ist ungeprägt, ist konstruiert. Sie ist die liberale Antithese zum Nationalismus. Die Nation ist ein lebendiges, historisches Wesen, das fortwährend reift und sich entwickelt.

Die „Volksgemeinschaft“ ist die Theorie der Leute, die den im Gange befindlichen Kämpfen, durch die eben das Reifwerden der Nation erfolgt, durch Konstruktion eines „Volksstaats“ aus dem Wege gehen möchten. Man sei sich darüber klar: Die Errichtung eines „Volksstaates“, wie man ihn theoretisch konstruierte, würde man nur durch zwangsweise Niederhaltung der Klasse erreichen können, die um ihre Befreiung ringt, und deren Lebensinteresse daher die Durchführung des Klassenkampfes bis zum siegreichen Ende erfordert. In dem Glauben, dass sich die Kämpfe, die aus der organischen Entwicklung geboren werden, durch Idealkonstruktionen aus der Welt schaffen lassen, zeigt sich, wie stark der bürgerliche Atavismus ist, und wie wenig man geneigt ist, sich über die Wirklichkeit und ihre Kräfte Rechenschaft zu geben. Gerade weil wir Nationalisten sind, und die Nation als wachsenden, ständig sich entwickelnden Organismus auffassen, gerade deshalb haben wir ein Interesse daran, diese inneren Kämpfe bis zum Ende durchzuführen. Es ist heute eine bestimmte Klassenlage vorhanden, aus der zwangsläufig der Klassenkampf folgt. Er ist das natürliche Ergebnis einer historisch gewachsenen Situation.

Wir erkennen ihn an!

Die Arbeiterschaft politisch auf seine Seite ziehen zu wollen, ohne ihrer Klassenlage Rechnung zu tragen, ist nichts als eine politische Spekulation und noch dazu eine falsche.

Der revolutionäre Kampf der Arbeiterschaft hat seine volle Berechtigung, weil er durch die Haltung der herrschenden Gesellschaft diktiert ist. Und wir sagen es offen, dass uns gerade die kämpferischen Teile der Arbeiterschaft für die Zukunft der Nation das wichtigste Element zu sein scheinen, dem auch unsere ganz natürliche Sympathie gehört. Wir haben den Zerfall der Nation mit dem Zerfall der alten Gesellschaft Hand in Hand gehen sehen. Wir haben die praktische Haltung der Bourgeoisie täglich vor Augen. Wir wissen, dass diese Klasse nicht mehr die Fähigkeit besitzt, die Nation von neuem aufzubauen. Es ist klar, dass die Nation nur steigen kann mit dem Aufstieg der neuen Kräfte. Diesem aber steht der Klassenegoismus der alten Klasse entgegen, ohne dass diese noch in der Lage wäre, eine Mission, eine Führung im Interesse der Allgemeinheit zu übernehmen. Aus dieser Situation folgt für uns die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Bourgeoisie. Das Interesse des Staates liegt bei der neuen Klasse!

Es ist selbstverständlich, dass sich die nationalrevolutionäre Ideologie in wesentlichen Gesichtspunkten von der Lehre vom internationalen Proletariat unterscheidet. Uns ist der Klassenkampf ein Durchgangsstadium zum Neubau der Nation. Er soll die neue Prägung schaffen, durch die die Nation als solche wieder in die Lage versetzt wird, die kulturelle und politische Fruchtbarkeit zur Auswirkung zu bringen. Den Wert der Arbeiterschaft können wir nur erfassen als nationalen, die Sendung der Arbeiterschaft nur als nationale. Der Gedanke des internationalen Proletariats, in dem eine Negierung des Organischen liegt, entbehrt der für uns unerlässlichen Sittlichkeit. Es ist also die entscheidende Frage, wie weit der Nationalismus den revolutionären Kampf der Arbeiterschaft mit einer neuen Sittlichkeit verbinden kann. Der Nationalist hat andere Wertungen als der Materialist. Für ihn steht die Frage des materiellen Milieus nicht im Vordergrund. Er lebt unter dem Gedanken der Eingeordnetheit und der Unterordnung unter die Nation. Die Verantwortung gegenüber der Nation ist für ihn der Maßstab seines Wertes und die Maxime seines Handelns. Dem marxistischen Arbeiter ist ein geläufiger Gedanke, dass er sich dem Wohl seiner Klasse unterzuordnen, notfalls zu opfern hat. Wir fordern diese unbedingte Disziplin für die Nation. Daraus folgt nicht, dass die revolutionäre Kampfkraft des Arbeiters durch solche Unterordnung gelähmt wird, denn was dem einzelnen Arbeiter dadurch etwa an materialistischem Maß verloren gehen könnte, wird ihm durch den Fanatismus einer sittlichen Berufung mehr als ersetzt. Unsere Verurteilung der Bourgeoisie erfolgt aus dem Gedanken der Verantwortlichkeit gegenüber der Nation heraus.

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